Ein Geisterdorf am Abgrund
In der Ausstellung „Revier“ zeigen der Fotograf Matthias Jung und Schüler/innen unserer 10. und 11. Jahrgangsstufe noch bis 29.6. Fotografien des Ortes Manheim, der bald im größten Loch Europas verschwindet.
Zitate von Teilnehmer/innen der Fotografie-Workshops
„Ich habe mich in Manheim wie nach einer Zombie-Apokalypse gefühlt.“ (Greta Mohr)
„Wir haben kaum Menschen getroffen, aber noch gepflegte Gärten.“ (Linn Schmirl)
„Einst grün und gepflegt, jetzt werden (…) Regenrinnen abgesägt.“ (Tim Bong und Sarah Bollrath)
„Als wir das erste Mal in Manheim waren, ist mir direkt aufgefallen, dass viele Autos zurückgelassen wurden.“ (Sandra Friebus)
So unterschiedlich wie die Eindrücke der Schüler/innen bei ihren Besuchen des Ortes, so vielfältig sind auch die entstandenen Bildserien aus den Fotografie-Workshops, die durch das Landesprogramm Kultur und Schule sowie den Eigenanteil unseres Fördervereins finanziert wurden. Darin geht es beispielsweise um Natur, die sich ihren Platz zurückerobert, um den Kontrast zwischen der natürlichen Schönheit und der Zerstörung des Ortes, um Graffitis und andere Bemalungen, die mit ihren Farben der traurigen Stimmung entgegenstehen oder ganz einfach um die spürbare Leere.
1700 Menschen lebten einst in dem 1100 Jahre alten Ort Manheim. Bis RWE beschloss die Bewohner umzusiedeln, um die Braunkohleförderung im Tagebau Hambach auszuweiten. Aufgrund der Verträge, welche RWE in den siebziger Jahren mit der Landesregierung aushandelte, blieb den Bewohnern keine andere Wahl als ihren Heimatort zu verlassen.
Während viele die Entschädigungsgelder der RWE annahmen, um im acht Kilometer entfernten Manheim-Neu ein neues Haus zu bauen, wurde aus Alt- Manheim ein Geisterdorf, das an seinen Rändern nach und nach von den Baggern verschlungen wird.
Zitate ehemaliger Bewohner (Quelle: www.faz.net)
„Ich habe immer noch den Traum, dass vielleicht doch irgendwann eine Umkehr erfolgt und Manheim vielleicht doch stehen bleibt.“ (Uta Stöttner)
„Ja, und jetzt ist es nicht mehr aufzuhalten. Erst an der Peripherie, und dann geht`s natürlich irgendwann in die Ortsmitte.“
„63 Jahre hammer hier gewohnt! (…) Hier war et wunderbar, et war schwer für wegzukommen.“ (Margarete Böhnen)
Gleichzeitig werden in dem fast gänzlich verlassenen Ort paradoxerweise Flüchtlinge untergebracht. Man fragt sich wie das für jemanden ist, der gerade selber seine Heimat verlassen musste. Ein großer Patenkreis, zu dem auch unser Kollege Herr Wirtz gehört, hat sich gebildet um den Flüchtlingen zu helfen und die fehlende Infrastruktur auszugleichen.
Bedenkt man noch die Diebesbanden, welche die verlassenen Häuser plündern, die Umweltaktivisten, von denen radikalere nicht vor Sachbeschädigung zurückschrecken, um die Arbeit von RWE zu sabotieren und auf der anderen Seite das massive Aufgebot an Polizei und Wachschutz, die letzteres verhindern wollen, ergibt sich eine Atmosphäre mit Zündstoff. Das haben auch unsere Schüler/innen zu spüren bekommen:
„Wir wollten zur Brücke an der alten A4 um ein paar Fotos zu schießen. (…) aus der Ferne sahen wir vier große Polizeiwagen, was für uns nichts Neues war, weil es tags zuvor im 50 Meter entfernten Hambacher Forst zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Umweltaktivisten kam. Wir dachten jedoch wir hätten nichts zu befürchten, da wir weder kriminell, noch nach Umweltaktivisten aussahen. Als wir den Polizeiwagen näher kamen stiegen jedoch etwa 15 Polizisten aus, voll bewaffnet mit Maschinenpistolen, Tasern und Pfefferspray. Sie hielten an und uns wurde etwas flau im Magen. Wir wurden durchsucht und mussten unsere Personalien angeben. Durften dann jedoch weiter zur Bücke unter Aufsicht von zwei Polizeiwagen und unsere Fotos machen.“ (Leonard Glock)
Das und vieles mehr konnte man in anregenden Reden und Gesprächen am 8.6. auf der Vernissage erleben. Darüber hinaus hat eine mutige Theaterimprovisation für Überraschung und Unterhaltung gesorgt. Wir danken Amelie Ackermann und Kyara Landgraf, welche als linke Umweltaktivisten die Reden aufmischten und deswegen vom „Wachschutz“, in persona Julia Bierl und Jari Pütz des Raumes verwiesen wurden. Herr Pohl hatte die vier dankenswerterweise vorbereitet. Außerdem gilt dem Künstler Matthias Jung, unserer Schulleitung, dem Sekretariat, unseren Hausmeistern und den fleißigen Helfer/innen der 12. Jahrgangsstufe mein Dank, weil „Kunst unter der Kuppel“ ohne sie und die zahlreichen Besucher nicht existieren würde.
Eintrag im Gästebuch von Günter Wagner
„Schön, dass es das Projekt „Kunst unter der Kuppel“ schon so lange gibt und es immer wieder spannende Ausstellungen gibt. Matthias Jung und sein „Team“ haben eine wunderbare Fotoserie geschaffen.“