3B & 3G – Berührend, bezaubernd, bereichernd! Circus Bebere Berhan an unserer Schule
Die Welt ist wieder eins! Endlich! So viele Wochen, Monate, Jahre… sind vergangen, so lange konnten keine interkulturellen Begegnungen stattfinden. Doch jetzt sind sie da: Circus Debere Berhan aus Äthiopien! Und es tut so gut, dass wir uns wieder begegnen können – alle Beteiligten scheinen die gemeinsame Zeit nur so in sich aufzusaugen.
Bei Circus Debere Berhan gilt die 3B-Regel – sie berühren uns mit ihrer liebenswerten Art, sie bezaubern uns mit ihrer anmutigen Akrobatik und sie bereichern uns in der Begegnung mit ihnen.
Rund eine Woche war der äthiopische Zirkus zu Gast an unserer Schule und in sechs Gastfamilien – eine sehr intensive Zeit, in der wir gemeinsam gekocht und gegessen (äthiopisches Essen + deutscher Nachtisch), zusammen getanzt, zusammen Akrobatik, gemeinsam in den Bäumen geklettert, gemeinsam gelacht und Spaß gehabt und Neues und Gemeinsames in uns gefunden haben.
Circus Debere Berhan kommen aus Debre Berhan, einer Stadt mit etwa 120.000 Einwohner, die etwa 120 km nordöstlich der Hauptstadt Addid Abeba liegt. Debere Berhan bedeutet „Ort des Lichts“ auf Amhara. Auf 2805 m gelegen ist man dem Licht bestimmt sehr nahe.
Den Zirkus gibt es bereits seit 1998. Begonnen hat es damit, dass man benachteiligten Kindern eine Chance geben wollte. Freizeitangebote sind in Ländern wie Äthiopien oftmals Privilegierten, also Kindern aus reichen Familien, vorbehalten. Circus Debere Berhan hat eine Anlaufstelle geschaffen, wo Kinder aus armen Familien Spaß haben können in ihrer Freizeit, ein Ort, der sie weg von der Straße bringt und weg von Drogen und Kriminalität. Ein Ort, wo sie ihre Talente entdecken und entwickeln können, wo sie Bestätigung bekommen und ihre Persönlichkeit stärken können. Und das sieht man und das spürt man auch. Mit dem Leiter Teklu Ashagir Nebebe waren sieben junge Akrobaten angereist, die ganz erstaunliche Talente und wunderbare Persönlichkeiten haben.
Circus Debere Berhan sind inzwischen national und auch international bekannt. Sie treten auf großen Veranstaltungen in Debre Berhan, in der Hauptstadt Addis und anderen Regionen auf und finanzieren sich zum größten Teil selbst durch ihre Auftritte. Auch das gehört zum Konzept des Zirkus: Den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen soll eine Möglichkeit gegeben werden, sich durch ihr Zirkustalent ein Einkommen zu verdienen und so ihre Zukunft selbst zu gestalten.
Doch ihre Zirkusdarbietungen erfüllen noch einen weiteren Zweck: Sie möchten die Mitmenschen aufklären und informieren über soziale und politische Zustände im Land. Darüber, dass zum Beispiel behinderte Menschen nicht aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen oder sogar weggesperrt werden sollten. Circus Debere Berhan integriert sie und zeigt so ihren Eltern und der Gesellschaft, dass auch in Kindern mit körperlichen Behinderungen Zirkustalente stecken. So auch Habtamnesh, eine junge taubstumm Frau, die uns alle mit ihrer Klugheit beeindruckte, mit ihrem sympathischen und liebenswürden Charakter berührte und uns mit ihrer Beweglichkeit und anmutigen Akrobatik faszinierte.
Um ihre Mitmenschen zu erreichen, treten sie deshalb in Äthiopien auf öffentlichen Plätzen auf, wo sie mit ihren professionellen Zirkusnummern schnell die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen.
Auch die Gendergerechtigkeit liegt dem Zirkus am Herzen, denn noch immer sind Mädchen und Frauen in der traditionellen Gesellschaft Äthiopiens sehr benachteiligt. In ihren „Zirkus- und Theaterstück“, dass sie am Halloween-Abend im Brühler Tanzsportzentrum präsentierten, geht es genau um dieses Thema. Ein junges Mädchen hat einen Traum. Sie möchte Musikerin werden. Welches junge Mädchen träumt nicht davon? Zu singen und zu tanzen – so wie andere junge Frauen im Fernsehen und bei Youtube in Äthiopien und auf der ganzen Welt auch. Doch die strengen äthiopischen Traditionen, die Gesellschaft, die eigenen Eltern und Familie setzen enge Grenzen und haben ihre eigenen Pläne mit dem Mädchen.
Es war eine reiche Woche in vielerlei Hinsicht. Die gemeinsamen Stunden und Erlebnisse in der Schulküche, beim Workshop, bei unserem gemeinsamen Auftritt im Tanzsportzentrum, im Kletterwald, in Köln und beim gemeinsamen Abendessen in einem äthiopischen Restaurant in Köln werden für die Schülerinnen und Schüler des Dunga-Brühl-Schulfreundschaftsprojekts, für die Gastfamilien und auch für mich als organisierende Lehrerin in ewiger Erinnerung bleiben.
Auch heute denken wir noch oft an Henok, Habtamnesh, Yishak, Abonesh, Solomon, Bezawit, Leoul und Fanual und wünschen ihnen vor allem eins: Frieden in Äthiopien!!!!
Familie Kühn (Gastfamilie):
Die Zeit mit unserem Gast Leoul aus dem Circus Debere Berhan war für unsere Familie ein richtiges Abenteuer. Die Kinder und auch wir Erwachsene haben unsere Komfortzone verlassen müssen und wurden dafür reich belohnt mit spannendem Austausch, neuen Erkenntnissen über Äthiopien und seine Kultur und vor allem mit einem neuen Freund. Für uns Eltern war es wirklich ganz besonders spannend zu sehen, wie unsere Kinder auf die Situation reagieren: Sie haben sich größte Mühe geben, mit ihren Englischkenntnissen, aber auch mit Händen und Füssen zu kommunizieren, sind ganz offen auf unseren Gast zugegangen und hatten keinerlei Berührungsängste. Wir haben alle zusammen englische Filme geschaut und über die Witze gelacht, haben Fußball und Basketball gespielt und haben gemeinsam gekocht und gegenseitig probiert. So zeigte sich Jonas probierfreudiger als sonst.
Ein großartiger Abschluss war das gemeinsame Essen im äthiopischen Restaurant in Köln. Auch hier gewannen wir mit einer neugierigen und offenen Haltung gegenüber anderen Kulturen wieder eine Menge positiver neuer Erfahrungen.
Unsere Kinder sagen „Allein, dass Leoul bei uns war, war das Schönste!" und „Wir vermissen Leoul sehr!". Kurz nach der Abreise sagte Jonas „Es war die schönste Woche meines Lebens!"
Besonders spannend finden wir, dass eine zuvor fremde Person innerhalb so kurzer Zeit zu einem Teil der Familie werden kann. Seit der Abreise denken wir jeden Tag an Leoul, sind aber auch besorgt und haben Angst, dass er in Äthiopien in den Krieg ziehen muss.
Alles in allem hat sich für uns wieder gezeigt, dass man in der offenen und zugewandten Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen mit am meisten auch über sich und seine eigene Kultur lernen kann.
Hier finden Sie einen Radiobeitrag der Deutschen Welle über den Auftritt von Circus Debere Berhan im Tanzsportzentrum Brühl am 31.10.2021 – allerdings auf Amharisch!!
Artikel im Kölner Stadtanzeiger (November 2021)
(Astrid Pfeifer)